Da schickt mir doch heute ein Kunde ein bestelltes Buch wieder zurück und beschwert sich, wie ich es denn wagen könnte, „unlesbare Bücher“ zu verkaufen. Es handelte sich um eine zweibändige Ausgabe von Gustav Freytags „Die Ahnen“ aus den 1930er Jahren. Und „unlesbar“ war es für den Kunden, weil es in Fraktur gedruckt war.

Es war übrigens nicht der erste Fall dieser Art und daher schreibe ich schon seit vielen Jahren in die Beschreibung eines solchen Buches den Hinweis „Schrift: Fraktur (Alt-Deutsch)“. Das „Alt-Deutsch“ ist zwar typografisch nicht ganz korrekt, wird aber von den meisten verstanden. Wer also Fraktur nicht lesen kann, sollte zumindest meine Artikelbeschreibungen aufmerksam lesen und dann von einer Bestellung Abstand nehmen (oder eine andere, für ihn „lesbare“ Ausgabe kaufen).

Nun habe ich mir aber gedacht, ich nehme diese Rücksendung zum Anlaß, um hier und jetzt ein wenig über Fraktur- und Sütterlin-Schrift zu plaudern.

Frakturschrift
Frakturschrift

Entwickler der leicht verspielten und doch etwas kantigen Sütterlin-Schrift war der Grafiker Ludwig Sütterlin (1865-1917). Im Auftrag des preussischen Kultusministeriums schuf er 1911 diese Schreibschrift-Variante der damals gebräuchlichen Fraktur-Druckschrift.

Sütterlin-Schrift
Sütterlin-Schrift

Ab 1924 bis 1941 lernten alle deutschen Lese- und Schreibanfänger die nach ihrem Erfinder genannte Sütterlin-Schrift statt der zuvor üblichen Kurrent-Schrift.

Kurrent-Schrift
Kurrent-Schrift

Im Dritten Reich förderte man zunächst die Verwendung der sogenannten gebrochenen Schriften Fraktur, Kurrent und Sütterlin als deutsche Schriften. 1941 wurden diese Schriften aber dann plötzlich durch einen Erlass Martin Bormanns als Judenlettern in allen deutschen Schulen verboten. Fortan lernten die Schüler die Deutsche Normalschrift, eine lateinische Schriftvariante.

Deutsche Normalschrift
Deutsche Normalschrift

Nach dem Krieg entdeckte man die Schnörkelbuchstaben der Sütterlin wieder: in der DDR benutzte man die Schrift bis in die 1960er Jahre. Und westdeutsche Schüler lernten Sütterlin in einigen Bundesländern noch bis in die 1970er Jahre hinein – allerdings nur zusätzlich zur heute gebräuchlichen lateinischen Schreibschrift.

Wer sich eingehender über diese alten deutschen Schriften informieren möchte, dem empfehle ich die Seite des Bundes für deutsche Schrift und Sprache e.V. Im dortigen Netzladen gibt es sehr nützliche Übersichtstafeln, die beim Lesen- und Schreibenlernen sehr hilfreich sind.

Ich hatte übrigens in der Grundschule (1966 bis 1969) „Schönschreiben“ als Unterrichtsfach – dort lernte ich noch in Sütterlin zu schreiben. Das habe ich allerdings fast wieder verlernt – lesen kann ich es heute nur noch mit Mühe. Fraktur-Schrift dageben kann ich fließend lesen.

Wie sieht das bei Ihnen aus? Was können Sie lesen – Sütterlin oder Fraktur? Oder beides nicht? Ist für Sie ein in Fraktur gedrucktes antiquarische Buch auch ein „Mängel-Exemplar, dass Sie zurückschicken würden?