Der Anrufer versprach einen wahren Bücherschatz: sein Bruder habe eine alte Fabrikantenvilla samt Inventar und zahllosen Sammlerobjekten und Büchern erstanden. Einen Großteil der Bücher und alten Papiere wolle er möglichst schnell und günstig verkaufen. Das klang vielversprechend – auf meine Rückfragen nach Art der Bücher (keine Lesering-Bücher, kaum Belletristik) schien sich ein Ausflug ins Bergische Land zu lohnen. Vom gleichen Anbieter konnte ich bereits Anfang des Jahres einen wunderbaren Posten illustrierter historischer Rechnungen kaufen. Ich vertraute daher seinen Angaben und fuhr früh morgens zusammen mit einer Freundin los.
Wir erwarteten eine Bibliothek, die man schnell überschauen und schätzen konnte. Nach Einigung über den Preis würde dann eine Spedition den Transport aus dem Bergischen Land ins Lipperland übernehmen. Kurz nach Mittag wäre wir dann fertig und könnten noch gemütlich an einem der zahlreichen Stauseen Kaffee trinken, etwas essen und bei einer kleinen Wanderung noch Fotos für unsere Bildagenturen machen.
So der Plan. Leider kam es dann doch ein wenig anders!
Pünktlich zur vereinbarten Zeit fuhren wir bei der wunderbar einsam am Ufer eines kleinen Flusses gelegenen Villa vor. Ein riesiges Haus, stark renovierungsbedürftig. Der Inhaber machte gerade eine Zigarettenpause auf einem Holzstapel, als wir vorfuhren. Er begrüßte uns freudig, erzählte begeistert von seinem Haus, das er fast im Alleingang wieder instandsetzen wird. Dann führte er uns ins Haus. Einen Teil der im ganzen Haus verstreuten Bücher hatte er bereits in einem Zimmer gestapelt. Toll, Bücherstapel und Kisten durchzusehen geht nicht wirklich schnell. Und besonders lohnende Schätzchen waren auch nicht darunter. Aber es sollte ja noch mehr geben.
Allein eine Stunde brauchten wir, um aus den Kisten das Brauchbare herauszufischen. Meist waren es alte Noten. Und von wegen kaum Belletristik! Dann zogen wird durch die meisten der über 30 Zimmer, stiegen über Stapel alter Radios, Möbel, Scheren, Geräte, Müll… der letzte Bewohner war ein Messie, der nichts wegwerfen konnte. Das war zwar spannend, hielt aber schrecklich lange auf und brachte meist nur Bücherschrott zum Vorschein.
Stieß ich einmal auf ein wirklich seltenes Buch, dann war es entweder zur Hälfte von Mäusen zerfressen, anderweitig unvollständig oder komplett von Wasser zerstört. Denn leider war ein Teil des Daches eingestürzt und so hatte es einige Jahre wunderbar ins Haus geregnet. Statt also am Ufer eines Sees zu entspannen, wühlten wir in den Hinterlassenschaften mehrere Generationen und brachten fast nichts Gescheites zum Vorschein. Irgendwann hatten wir auch keine Lust mehr – wer weiß, vielleicht haben wir die wirklichen Schätze nicht gehoben.
Die Spedition konnten wir uns sparen (leider) – spät am Abend verstauten wir die Bücherbeute komplett in meinem Twingo. Der hatte dann zwar eine gute Straßenlage, aber es paßte. Drei Stunden später waren wir wieder zu Hause – völlig geschafft und etwas angesäuert: es war ein langer Tag, wir haben allerhand Sprit verfahren, sind ziemlich dreckig geworden, mußten richtig schuften und die Ausbeute war doch sehr mager.
Allerdings war es doch recht interessant, diese wunderschöne Villa (wenn sie dann wieder renoviert ist) und ihren Besitzer kennenzulernen. Er hat versprochen, uns einzuladen, wenn er fertig ist. Ich befürchte aber, das wird zu meinen Lebzeiten nicht mehr passieren! 🙂
Fotos der Villa kann ich Ihnen leider nicht zeigen – der Besitzer wollte sein Haus nicht im Internet sehen. Verständlicherweise – das Haus liegt sehr abgelegen und ist derzeit nicht bewohnt, da muß man nicht unbedingt mögliche Diebe aufmerksam machen.
Würde ich nochmal auf ein solch „schwammiges“ Angebot hin solch eine weite Tour unternehmen? Ich glaube Ja, denn einerseits war es doch ein echtes Erlebnis. Und wer weiß, welche Buchschätze sich in der nächsten alten Villa verbergen!